Vorkaufsrecht: Können wir die Wohnung dem Sohn verkaufen?
Wir möchten unsere Eigentumswohnung unserem Sohn verkaufen. Da fast unser ganzes Vermögen in der Wohnung steckt, können wir diese nicht verschenken. Für die übrigen Eigentümer besteht wegen des Stockwerkeigentums ein Vorkaufsrecht, das ein Eigentümer ausüben möchte. Wie kann unser Sohn die Wohnung dennoch erwerben?
Stockwerkeigentümer können ihre Einheit (z.B. Eigentumswohnung) grundsätzlich frei veräussern, ohne dass den übrigen Stockwerkeigentümern ein Vorkaufsrecht zusteht. Dies im Unterschied zum gewöhnlichen Miteigentum, bei dem die Miteigentümer ein gesetzliches Vorkaufsrecht haben, wenn ein Miteigentumsanteil einem Nichtmiteigentümer verkauft wird.
Es ist aber möglich, bei der Stockwerkeigentumsbegründung oder durch spätere Vereinbarung ein Vorkaufsrecht zu errichten und dieses im Grundbuch vorzumerken, wie dies in Ihrem Fall offenbar der Fall ist. Solche Vorkaufsrechte an Stockwerkeigentumseinheiten sind in der Praxis eher selten.
Das Vorkaufsrecht ermöglicht den übrigen Stockwerkeigentümern zu erklären, dass sie die Stockwerkeigentumseinheit erwerben möchten. Sofern das Vorkaufsrecht als unlimitiertes Vorkaufsrecht (d.h. ohne einen bestimmten Preis) ausgestaltet ist, können die übrigen Stockwerkeigentümer ihr Vorkaufsrecht zu denselben Konditionen ausüben wie im konkreten Vertrag mit dem Dritten. Handelt es sich hingegen um ein limitiertes Vorkaufsrecht, so wird der Preis, zu dem die übrigen Stockwerkeigentümer die Stockwerkeigentumseinheit erwerben können, bereits im Voraus festgesetzt.
Nur im Vorkaufsfall
Das Vorkaufsrecht kann nur ausgeübt werden, wenn ein Vorkaufsfall eintritt. Ein Vorkaufsfall liegt in der Regel dann vor, wenn ein Grundstück (etwa eine Stockwerk-eigentumseinheit) verkauft wird, sowie bei jedem anderen Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt. Hingegen stellen Schenkungen und gemischte Schenkungen (bei denen der Kaufpreis deutlich unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegt) keine Vorkaufsfälle dar.
Sofern Sie die Wohnung Ihrem Sohn (oder auch einem Dritten) zu einem Preis verkaufen, der signifikant unter dem Verkehrswert liegt, können die übrigen Stockwerk-eigentümer ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben. Wird das Grundstück einem zukünftigen gesetzlichen Erben verkauft und besteht die Motivation des Verkaufs darin, das Grundstück gerade dieser bestimmten Person zu übertragen und nicht an einen Dritten, so liegt gemäss der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre ebenfalls kein Vorkaufsfall vor, da mit diesem Verkauf lediglich die Erbfolge vorweggenommen wird (sogenannter Kindskauf).
Da Sie Ihre Wohnung Ihrem Sohn übertragen möchten, bei dem es sich mutmasslich um Ihren künftigen Erben handelt, und eben gerade nicht an einen Dritten, handelt es sich beim vorliegenden Verkauf an Ihren Sohn um keinen Vorkaufsfall und die übrigen Stockwerkeigentümer können das Vorkaufsrecht nicht ausüben. Abschliessend noch der Hinweis: Das Vorkaufsrecht fällt mit der Übertragung der Wohnung an Ihren Sohn nicht dahin, sondern besteht unverändert fort. Verkauft Ihr Sohn die Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt an einen Dritten, haben die übrigen Stockwerkeigentümer die Möglichkeit, ihr Vorkaufsrecht auszuüben.